Das lange Tal der Kurzgeschichten
Sieben – Anfang vieler Geschichten
Als verflixtes siebtes Jahr kann man es sehen. Oder auch als unergründliche Quelle begnadeter Variationen und Eventualitäten und Entfaltungen … Reset oder nicht … So zumindest nahmen es die Autor*innen aus Deutschland und Österreich wahr, die zu Ehren des 7. Jahres des Mölltaler Geschichten Festivals die „Sieben“ als Inspiration nahmen, ins mythologische oder psychologische oder melodramatische oder kriminelle oder – im Gestern, Heute und in der Zukunft – schaurige Reich der Sinne einzutauchen, und aus all dem literarische Perlen zu formen.
Das Mölltaler Geschichten Festival, ein internationales Literaturfestival, das immer im Herbst in Oberkärnten stattfindet, widmet sich deutschsprachigen Kurzgeschichten – und zwar solchen, die sich durch Erfindungsreichtum und Wortgewandtheit auszeichnen. Die besten Geschichten werden jedes Jahr im Rahmen von Lesungen präsentiert und in einer Anthologie zusammengefasst.
www.moelltaler-geschichten-festival.at
Nachdem Dr. Wentzler mich berührt hatte, rieb er Schnaps über seine kalten spitzigen Hände und machte Nasenrückenfalten. Lange fragte er Mama über Krankheiten in unserer Familie aus. Ob es da noch jemanden gebe, der an erblicher Fallsucht zu leiden hatte, wie ich? Ob es vielleicht andere Erbkrankheiten gebe?
Erbkrankheiten – Volksgesundheit – Heil- und Pflegeanstalt. Jetzt machte Mama Nasenrückenfalten und dunkle Augen.
Der Doktor schrieb und Mama schwitzte plötzlich, obwohl sie vorher noch gezittert hatte. Dann stand er auf, meinte: Um mich werde sich gekümmert, reckte den rechten Arm in die Höhe und machte beim Strammstehen einen Klemmarsch. Darüber musste ich lachen und Mama zog mich zornig auf die Straße, sodass ich hinfiel und mir die Knie aufschlug. Ich begann zu weinen, blieb stehen und stampfte trotzig auf.
„Weast stad sei!“
„Tschuldigung, Mama …“
Mama redete die ganze Zugfahrt nicht mit mir. Schaute nur aus dem Fenster, schwitzend und zitternd. Ich entschuldigte mich immer wieder, aber sie schaute weiter starr auf die vorbeiziehende Landschaft, an ihrem Hemdkragen herumnestelnd.
(Aus „Das Erdäpfelgeißlein“ von Elisabeth Kofler-Weichselbraun, Literaturpreis des Landes Kärnten für Kurzgeschichten)
Umfang | 184 Seiten |
Abbildungen | zahlreiche S/W-Abbildungen |
Format | 17 x 21 cm |
Buch-Bindung | französische Broschur |
Preis | € 23,– |
ISBN | 978-3-7025-1086-2 |